Das Schaltrad – Ein Leckerbissen Im Inneren Des Chronographen

18. Mrz 2022
Armbanduhren und im Speziellen solche mit Stoppuhr, die sogenannten Chronographen, sind schon seit einiger Zeit aus der Kollektion der Manufaktur Erwin Sattler nicht mehr wegzudenken. Nach der Entwicklung und Vorstellung des äußerst exklusiven Chronographen Classica Secunda (mit Steuerung seiner Funktionen über einen einzigen Drücker im Zentrum der Krone, positioniert zwischen den beiden unteren Gehäusehörnern) erfolgte ein Jahr später die Markteinführung eines klassischen Zweidrücker Chronographen. Dieser, genannt „Chronograph Classica Secunda II“ enthielt ein fein veredeltes, automatisches Uhrwerk das über eine sogenannte Kulissensteuerung verfügte. Zur Erklärung, die Kulisse steuert bei Stoppuhren sämtliche mögliche Funktionen. Uhrwerke mit dieser konstruktiven Lösung gelten gemeinhin als äußerst funktionell und zuverlässig. Entstanden aus der Überlegung einer vereinfachten Herstellung mit sicherer Funktion sind sie heute in den meisten Chronographen Kalibern zu finden und genießen zu recht einen ausgezeichneten Ruf.
Ein sowohl optischer als auch technischer Leckerbissen ist jedoch ein Chronograph mit Steuerung seiner Stoppfunktionen durch ein Schaltrad. Dieses, auch Säulenrad oder Kolonnenrad genannte Bauteil, ist von der Funktion und der Zuverlässigkeit identisch der Variante mit Kulisse, jedoch von Seiten der Herstellung, aufgrund der komplizierten Bauart und der wesentlich geringeren, erlaubten Toleranzen, deutlich schwerer herzustellen. Durch das Schaltrad werden die Funktionen „Start“, „Stopp“ und „Nullstellung“ exakt gesteuert, ebenso sind Additionsstoppungen (erneutes Starten des Messvorgangs, nach dem Anhalten dessen) möglich. Nicht zu vernachlässigen ist natürlich die optische Erscheinung eines Chronographen mit Kolonnenrad. Durch seine nach oben ragenden Säulen bzw. Kolonnen (in der Regel zwischen 5 und 9 Stück) und das darunter flach liegende Sperrrad ist sofort erkennbar, dass die Herstellung eines solchen äußerst aufwändig und kompliziert ist. In früheren Zeiten waren sowohl die Säulen als auch das Sperrrad eigenständige, separate Bauteile, erst in der jüngeren Vergangenheit erlauben moderne Produktionsverfahren eine einteilige Herstellung. Im neuen Erwin Sattler Chronographen II S, ist das Schaltrad optisch zusätzlich durch das gebläute Sperrrad und die spiegelpolierten Stirnflächen der Kolonnen hervorgehoben und wird so zum Highlight beim Blick durch das Glas des Gehäusebodens. Der wahre Kenner schätzt allerdings noch eine weitere Eigenheit des Schaltradchronographen im Vergleich zur Variante mit Kulisse…das Betätigen der Drücker. Dieser Vorgang geht wesentlich geschmeidiger, sanfter und auch mit weniger Kraft von statten, somit wird der Einsatz der Stoppuhr zu einem wahren Genuss!

Historisch gesehen geht all dies ursprünglich auf eine Erfindung Nicolas Rieussec´s zurück. Jener Pariser Uhrmacher stellte im Jahre 1822 seinen ersten Zeitschreiber, wörtlich übersetzt Chronographen (gebildet aus dem griechischen „chrónos“ und „gráphein“) der Öffentlichkeit vor. Tatsächlich handelte es sich hierbei, im wahrsten Sinn des Wortes, um einen Zeitschreiber. Mit Hilfe von Tinte wurde die gemessene Zeit, optisch sichtbar, auf dem Zifferblatt aufgetragen. Später dann bürgerte es sich ein, dass Apparate deren Zeiger zum Messen der Zeit angehalten werden konnten, als Chronographen bezeichnet wurden — auch heute ist dies noch so.

 

Im weiteren Verlauf der Geschichte dann, entwickelte 1844 der Schweizer Uhrmacher Adolphe Nicole den ersten Chronographen bei dem es möglich war, die Zeiger nach einer Stoppung wieder auf den Nullpunkt springen zu lassen. Die erstmalige Verwendung herzförmiger Scheiben ermöglichte diese, heute selbstverständliche, Funktion. Natürlich gibt es noch eine Vielzahl weiterer versierter Uhrmacher, die im späteren Lauf der Geschichte weitere Details erfanden, verbesserten oder zur Serienreife brachten. Noch zu erwähnen sei hier allerdings die Firma Breitling, auf die der erste Chronograph mit Steuerung der Stoppfunktionen über zwei unabhängige Drücker zurückzuführen ist. Diese Entwicklung wurde in den 1933er Jahren vorgestellt und ermöglichte dann auch, zum ersten Mal, die bereits oben erwähnten Additionsstoppungen. In diesem Zusammenhang ist zudem nennenswert, dass selbstverständlich sämtliche frühen Chronographen über besagtes Schaltrad verfügten. Die Variante mit Kulissenschaltung fand erst ab dem Jahre 1937, aufgrund einer Entwicklung der Firma Dubois-Dépraz, Einzug in diverse neuere Kaliber.

 

Selbstverständlich gibt das Thema Chronograph noch weitaus mehr her. Sollten sie in diese Materie (speziell in technischer Hinsicht) vertieft einsteigen wollen, können wir ihnen folgendes Fachbuch ans Herz legen:

 

  • ISBN 2-88012-057-8, B. Humbert, Der Chronograph – Funktion und Reparatur
    Des Weiteren in diesem Bereich empfehlenswert, allerdings nicht speziell zum Thema Chronograph, ist auch folgendes Buch:
  • ISBN 978-3-939315-51-3, Michael Stern, Die Uhrmacherei Band 1, zu beziehen über uhrenliteraturshop.de oder Tel.: +49 (0) 30-83203842
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